Münchhausen-Syndrom

Der Begriff Münchhausen-Syndrom bezeichnet ein psychisches Störungsbild, das in der ICD 10 auch als „artefizielle Störung“ benannt wird.

Es handelt sich dabei um Patienten, die körperliche Beschwerden erfinden, verstärken bzw. auch selbst hervorrufen (Selbstverletzung/Selbstschädigung). Die Darbietung der Beschwerden kann sich auf nur ein Symptom – sowie auch mehrere Symptome beziehen.

Die häufig sehr geschickte /kreative Vortäuschung von Erkrankung kann nahezu jedes Organ betreffend – die Patienten sind dabei sehr erfinderisch. Im Falle der Selbstverletzung im Rahmen dieser medizinischen Täuschungsversuche werden z.B. durch selbst beigebrachte Hautreizungen, Quetschungen, Strangulierungen, Injektionen mit unverträglichen Stoffen, Einnahme schädigender Substanzen/Medikamente etc. dem Behandler Krankheitsbilder präsentiert.

Die dargebotenen Krankheiten können sich manchmal auch auf psychische Symptomatiken wie z.B. Wahnbildung, Depressionen, Delirien beziehen.

Da die Patienten ein gutes medizinisches Wissen haben, können sie die Beschwerden glaubhaft darbieten und den Behandler in die Irre führen. Somit kommt es in der Regel erst nach langwierigen erfolglosen Behandlungsversuchen zu dem Verdacht, dass ein  Münchhausen-Syndrom vorliegt.

Differenzialdiagnostisch ist wichtig die Themen psychotischer, hypochondrischer, hysterischer sowie körperdysmorpher Symptomatiken aus psychiatrischer Sicht zu beachten.

Psychischer Hintergrund dieses Phänomens ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Zuwendung durch Therapeuten (sowie auch von Familienangehörigen). Häufig kommt dieses Störungsbild auch in Verbindung mit der Borderline-Störung vor.

Als Ursache des Münchhausen-Syndroms werden schwerwiegende negative Erfahrungen sowie auch Traumatisierungen in der Kindheit angesehen. Die Patienten versuchen unbewusst durch diese Manipulationen eigene schwere seelische Krisen abzuwehren. Dies unterscheidet  das Münchhausen-Syndrom von der bewussten Simulation zu Erreichung von sozialen Vorteilen.

Eine besondere Form – Münchhausen-by-proxy-Syndrom (= Münchhausen in Vertretung) – liegt vor, wenn Eltern oder andere Aufsichtspflichtige bei Kindern Symptome erzeugen oder verstärken, damit diese behandelt werden müssen. In diesen Fällen stellt aus gesetzlicher Sicht die Frage der Einschaltung des Jugendamts.

Die Medizin unterscheidet in der Betrachtung selbstmanipulierter Krankheiten noch die Artefakt-Krankheit, = heimliche Selbstmisshandlung (auch Mimikry-Phänomen genannt). Das Beschwerdebild ähnelt dem des Münchhausen-Syndroms, ist aber abgemilderter. Die Manipulationen werden hier in abgeschwächter Form angeboten, die Patienten sind sozial angepasster. Bei dieser Form überwiegt das weibliche Geschlecht; häufig sich die Betroffenen in medizinischen Berufen tätig.