Sexualstörungen

Bei den Sexualstörungen wird nach der ICD 10 zwischen sexuellen Funktionsstörungen, Störungen der Geschlechtsidentität und Störungen der Sexualpräferenz unterschieden.

Sexuelle Funktionsstörungen (F 52)

Begriff

Sexuelle Funktionsstörungen verhindern die von den Betroffenen gewünschte sexuelle Beziehung.

 Ätiologie / Ursache

Sexuelle Reaktionen sind psychosomatische Prozesse, d.h. bei der Entstehung von sexuellen Funktionsstörungen sind gewöhnlich sowohl psychische als auch somatische Prozesse beteiligt. Oft mischen sich organische, neurologische, urologische, endokrinologische, gynäkologische und psychische Aspekte, die bei einer Behandlung zu berücksichtigen sind. Auch bei bekannten organischen Ursachen für sexuelle Funktionsstörungen ist eine psychogene Mitbeteiligung nicht auszuschließen.

 Epidemiologie / Häufigkeit:

Genaue Angaben fehlen, die Störung der sexuellen Erregung wird bei Frauen auf 30%, bei Männern auf 20% geschätzt, etwa ein Drittel der Männer leiden an vorzeitigem Samenerguss.

 Symptome

Als häufigste Störungen der sexuellen Funktion bei der Frau gelten sexuelle Unan­sprechbarkeit (Frigidität), Orgasmusstörung und Scheidenverkrampfung (Vaginismus) sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie); als häufigste Störungen der sexuellen Funktion beim Mann gelten Potenz-Probleme (erektile Dysfunktion), vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) und verzögerter Samenerguss (Ejakulationshemmung).

Bei den sexuellen Funktionsstörungen liegen Störungen im sexuellen Reaktionszyklus vor, be­stehend aus der Appetenzphase (Phantasie zur Lust), der Erregungsphase (körperliche Prozesse), der Orgasmusphase und der Entspannungsphase.

Die Sexualtherapie ist in der intensiven Therapiephase paar- und verhaltenstherapeutisch ausgelegt – wesentlich entwickelt von Kaplan sowie Masters und Johnson – wobei männlicher Therapeut und weibliche Therapeutin Aufklärung und Verhaltensübungen geben: in jeder Sitzung werden die Erfahrungen mit den Übungen erörtert, die dem Paar zwischenzeitlich gestellt wurden;  dabei soll durch Sensitivitätstraining, meist ergänzt mit Koitus-Verbot, gegen vorhandenen Leistungsdruck der Austausch von Zärtlichkeit trainiert, in der Start-Stopp-Technik die Kontrolle der Ejakulation geübt werden. Insgesamt steht das Kennenlernen des eigenen Körpers im Vordergrund.

 

Störungen der Geschlechtsidentität (F 64)

(in der ICD 10 den Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen zugeordnet, F 6)

Störungen der Geschlechtsidentität sind durch anhaltendes und starkes Unbehagen und Leiden im Hinblick auf das eigene (biologische) Geschlecht charakterisiert.

Ist die Störung mit dem Wunsch oder der Beteuerung verbunden, dem anderen Geschlecht sozial anzugehören und entsprechend leben zu wollen, spricht die ICD 10 von Transvestitismus (F 64.1)unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen; auffällig ist etwa der Wunsch, die für das andere Geschlecht typischen Kleider tragen zu wollen (Cross-dressing).

Störungen der Geschlechtsidentität können auch zu dem Wunsch nach gegengeschlechtlicher hormoneller Behandlung und nach einer operativen Geschlechtsumwandlung führen – in diesem Fall liegt Transsexualismus (F 64.0) vor.

Die ICD sieht unter F 64 vor:

F 64.0 –    Transsexualismus

F 64.1 –    Transvestismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen

F 64.2 –    Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters

F 64.8 –    andere Störung der Geschlechtsidentität

F 64.9 –    nicht näher bezeichnete Störungen der Geschlechtsidentität

Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilien) (F 65)

(in der ICD 10 der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen zugeordnet, F 6)

Störungen der Sexualpräferenz kommen in ungewöhnlicher Vielzahl vor. Hierzu gehören obszöne Telefonanrufe, das Pressen des eigenen Körpers an andere Menschen in Menschenansammlungen oder öffentlichen Verkehrsmitteln zum Zweck der sexuellen Erregung (Frotteurismus), sexuelle Handlungen an Tieren (Sodomie) u.a.

Die erotischen Praktiken sind zu vielfältig, viele kommen zu selten vor oder stehen für sich allein, als dass für jede eine eigene Benennung gerechtfertigt wäre. In manchen Fällen liegen bei einer Person mehrere abnorme sexuelle Präferenzen vor, wobei keine im Vordergrund steht. Die häufigste Kombination besteht aus Fetischismus, Transvestitismus und Sadomasochismus.

F 65.0  –   Fetischismus (häufigste Störungsform)

F 65.1  –   fetischistischer Transvestismus (zur Erreichung sexueller Erregung)

F 65.2  –   Exhibitionismus (Straftatbestand)

F 65.3  –   Voyeurismus

F 65.4 –    Pädophilie (Sexualität mit Kindern), Päderastie (Homosexualität mit Knaben), beides Straftatbestand

F 65.5  –   Sadomasochismus

F 65.6 bis 65.8 andere Störungen der Sexualpräferenz

F 65.9  –   nicht näher bezeichnete Störungen der Sexualpräferenz

 

Irrig ist die Annahme, Sexualität sei im Prinzip bei allen Menschen (oder zumindest bei allen Männern bzw. allen Frauen) mit der Geburt festgelegt und naturgegeben Gleiches. Die Sexualwissenschaft hat gezeigt, dass die menschliche Sexualität sehr unterschiedlich ist, so dass von Sexualitäten gesprochen werden kann, die auf drei Fundamenten ruhen:

  • einem biologisch-genetischen, das schon bei unserer Geburt festgelegt ist
  • einem sozialen, das durch die Regeln unserer Gesellschaft geformt wird
  • einem individuell-psychischen, welches lebensgeschichtlich geprägt ist.